Verein oder GmbH?
Der Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in Nachrichtendienst des Deutschen Vereins - NDV, 9/2002, Seite 315-325.
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Zur Ansiedlung wirtschaftlicher Aktivitäten bei Verbänden
Entwicklungen im Dritten Sektor
Die Vorstellung eines ökonomisch relevanten "Dritten Sektors" zwischen Staat und Wirtschaft ist relativ neu. Im Bereich der Wohlfahrtspflege entstanden die großen Verbände im Umfeld von Industrialisierung und 1. Weltkrieg bzw. Nachkriegsrezession. Die unmittelbare Hilfeleistung auf der Grundlage christlicher, humanistischer oder politischer Überzeugungen stand im Vordergrund. Erst in den letzten Jahrzehnten erfolgte eine erhebliche Ökonomisierung im Gesundheitswesen, bei sozialen Dienstleistungen, im Sport und weiteren Bereichen. Alleine im Sozial- und Gesundheitswesen beschäftigen die Wohlfahrtsverbände und ihre Mitgliedsorganisationen rund eine Million Hauptamtliche.
Die Ökonomisierung führt zu einer Zunahme wirtschaftlicher Risiken, Differenzierung der betrieblichen Organisation und Professionalisierung der Leitungsebene. Unterbleiben Anpassungsprozesse an die veränderten Bedingungen, kommt es zu Insolvenzen oder zumindest wirtschaftlichen Schieflagen.
Vor allem im Sozial- und Gesundheitswesen erfolgte über Jahrzehnte eine starke Annäherung an den staatlichen Sektor, die sich in Abhängigkeiten von staatlichem Planungs- und Finanzierungsgebaren, aber auch der Entwicklung komplementärer, behördenähnlicher Strukturen äußerte. Aufgrund globalen Wettbewerbs, demographischer Veränderungen und einer daraus folgenden Überlastung öffentlicher Kassen, aber auch aus einem Wertewandel mit stärkerer Betonung der individuellen Verantwortung und ggf. nachlassender Solidarität nimmt die staatliche Dominanz im Dritten Sektor aktuell wieder ab. Sofern eine ähnliche Entwicklung wie in Amerika einsetzt, könnte der von Wirtschaft und Privatpersonen finanzierte Anteil an den Leistungen des Dritten Sektors von derzeit etwa 5 auf vielleicht 30 Prozent steigen.
Die meisten mitgliederstarken Verbände (auch Parteien, Gewerkschaften, ...) haben einen mehrstufigen, hierarchischen Aufbau, der sich in der Regel an den Gebietskörperschaften oder dem Aufbau der öffentlich-rechtlichen Kirchen orientiert. Durch das Wachstum der Organisation und der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben, aber auch durch die Notwendigkeit, eigene Mittel erwirtschaften zu müssen, sind zunehmend Wirtschaftsbetriebe im Umfeld oder als Teil der Verbände entstanden. Dies sind keineswegs nur kleine, sondern auch mittelständische und vereinzelt große Betriebe mit über 1.000 hauptamtlichen Mitarbeitern.
Die "Sanduhr" als einfaches Modell zur Strukturanalyse
Nahezu jede Organisation zeichnet sich durch eine innere Differenzierung und Ausbildung von Hierarchien aus. Der Gesetzgeber hat mit dem Verein und der GmbH (= Gesellschaft mit beschränkter Haftung) Grundformen kodifiziert, die in unterschiedlichem Umfang an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können. Die rechtlich geregelten Elemente der Organisation werden vom Gesetzgeber als Organe bezeichnet. Ihnen werden vom Gesetz und ggf. einer Satzung klar definierte Kompetenzen zugeschrieben. Im Verein ist oft von Gremien die Rede. Der Begriff betont die Mehrzahl von Personen und die dort stattfindenden Abstimmungsprozesse.
Neben die zwingend erforderlichen Organe Mitgliederversammlung und Vorstand können beim Verein weitere treten, z.B. eine Delegiertenversammlung. Die GmbH hat immer eine Gesellschafterversammlung und mindestens einen Geschäftsführer. Der Aufsichtsrat ist nur ab einer bestimmten Größe der GmbH vorgeschrieben. Tendenzbetriebe, also Unternehmen, die politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder ähnlichen Zielen dienen, sind davon in der Regel befreit.
Hierarchische Strukturen finden sich gleichermaßen bei gewinnorientierten Unternehmen wie den Betrieben von Nonprofit-Organisationen. Die Betriebe reichen von einer kleinen Verbandsgeschäftsstelle bis zu großen stationären Einrichtungen, z.B. Krankenhäusern.
Sobald Nonprofit-Organisationen über rein ehrenamtliche, ideell geprägte Tätigkeiten hinauswachsen, treten in der Organisation sowohl mitgliederorientierte Willensbildungsstrukturen wie mitarbeiterorientierte Betriebsstrukturen auf. Der Bereich der Willensbildung und ehrenamtlichen Tätigkeit wird meistens in der Rechtsform des Vereins realisiert, die dafür aufgrund ihrer nach innen gerichteten Orientierung gut geeignet ist. Der hauptamtlich geprägte Bereich des Wirtschaftsbetriebes kann sowohl im Verein wie in einer GmbH angesiedelt werden. Auf die relativ spezialisierten Rechtsformen der Stiftung, Genossenschaft (eG) oder Aktiengesellschaft (AG) wird hier nicht weiter eingegangen, auch wenn sich die Überlegungen leicht darauf übertragen lassen.
Durch die Kombination der beiden oben jeweils als Pyramide dargestellten Bereiche entsteht das Modell der Sanduhr.
Das Modell der Sanduhr verdeutlicht, dass bei wirtschaftlich tätigen Vereinen zwei sehr unterschiedliche Sphären zusammentreffen.
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Verbandliche Sphäre |
Betriebliche Sphäre |
---|---|---|
Basis |
Mitglieder |
Mitarbeiter, Kapital |
Art der Mitarbeit |
ehrenamtlich |
hauptamtlich |
Motive für Mitarbeit |
ideelle (soziale, politische, ethische) Ziele, ggf. Interesse an Leistungen |
Einkommenserzielung, |
Umfang der Mitarbeit |
begrenzter zeitlicher Einsatz |
hoher zeitlicher Einsatz |
Rechtsgrundlage |
vereinsrechtliche Beziehung, |
arbeitsrechtliche Beziehung, Anspruch auf (beiderseitige) Erfüllung des Arbeitsvertrages |
Abhängigkeit der Mitarbeitenden |
meist geringe Abhängigkeit vom Verein |
wirtschaftliche Abhängigkeit je nach Arbeitsmarkt |
Leistungsschwerpunkt |
Willensbildung, Gemeinschaft |
Erbringung von Dienstleistungen |
wirtschaftliche Relevanz |
geringe Umsätze, kaum wirtschaftliche Risiken |
hohe Umsätze, hohe wirtschaftliche Risiken |
Turbulenz der Umwelt |
langsame Umweltänderungen, z.B. Wertewandel in der Gesellschaft |
schnelle Umweltänderungen, z.B. |
Wettbewerb |
partieller Wettbewerb um Spenden, Mitglieder, Engagement |
starke Konkurrenz auf Absatz- und Beschaffungsmärkten |
Stark vereinfacht ist der verbandliche Bereich durch Willensbildungsprozesse und ehrenamtliches Engagement, der betriebliche Bereich durch hauptamtliche Erbringung von Dienstleistungen geprägt. Im verbandlichen Bereich spielen der Interessenausgleich, die repräsentative Besetzung von Gremien und die Zufriedenheit der Mitglieder eine große Rolle. Im Betrieb stehen die wirtschaftliche und fachliche Orientierung, das Bestehen auf dem Markt und die Effizienz der Zielerreichung im Vordergrund.
Zu den in der Tabelle aufgeführten typischen Eigenschaften lassen sich in der Praxis auch immer Ausnahmen finden, z.B. primär ideell motivierte Hauptamtliche oder Mitglieder, die existentiell von ihrem Verein abhängen. Jede dieser Abweichungen hat ganz spezifische Konsequenzen, die bei der Gestaltung der Organisation zu beachten sind. Besonders konfliktträchtig sind entstehende Rollen- und Interessengegensätze, z.B. zwischen primär ideell und primär wirtschaftlich motivierten Mitarbeitern oder sehr unterschiedlich von den Leistungen eines Vereins abhängigen Mitgliedern.
Die Existenz einer Mitgliedervereinigung hängt von ihrer gesellschaftlichen Legitimation ab: Sind in ausreichendem Maße Personen bereit, durch Mitgliedschaft, Spenden und aktive Mitarbeit die Ziele der Organisation zu unterstützen und trauen sie der Organisation einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung zu? Die Existenz eines (sozialen) Unternehmens hängt davon ab, ob sie für ausgewählte Zielgruppen bedarfsgerechte Leistungen zu konkurrenzfähigen Bedingungen anbieten kann. Weitgehend unabhängig von der Art der Finanzierung hängt die Zufriedenheit der Austauschpartner (Leistungsempfänger, Geldgeber) von der Preiswürdigkeit und überprüfbaren Qualität der Leistungen ab. In der Regel bieten konkurrierende Anbieter einen Vergleichsmaßstab.
Beide Bereiche, Verband und Betrieb, haben einen hierarchischen Aufbau. Der Berührungspunkt bei Vorstand bzw. hauptamtlicher Geschäftsführung ist offensichtlich ein kritischer Punkt. Hier stoßen unterschiedliche Dynamiken und Logiken zusammen. Die Informationen aus beiden Bereichen treffen stark verdichtet aufeinander. Die Kopplung der beiden Sphären und die Koordination aller Aktivitäten hängt wesentlich von der Besetzung der jeweiligen Leitungsstellen bzw. Organe ab.
Die unterschiedliche Dynamik wird an einem einfachen Beispiel deutlich: Kaum ein Vorstand wird sein Amt verlieren, wenn er schwierige Entscheidungen vertagt oder regelmäßig an Ausschüsse zur Beratung delegiert. Durch die langwierige Erarbeitung eines breiten Konsenses wird sich seine politische Basis im Verein eher festigen. Wenn hingegen ein Geschäftsführer Entscheidungen ausweicht, entscheidet der Markt für oder vielmehr oft gegen ihn. Andere Anbieter nehmen Chancen schneller wahr und verdrängen Konkurrenten, die sich veränderten Bedingungen zu langsam anpassen.
Die Bedeutung der beiden Sphären kann sehr unterschiedlich ausfallen. Entsprechend haben verbandliche und betriebliche Elemente der Organisation unterschiedliche Relevanz. Durch die Größe von Ober- und Unterteil der Sanduhr kann die relative Bedeutung von verbandlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten dargestellt werden. Diese Analyse ist nicht an eine bestimmte Rechtsform gekoppelt. Die folgende Abbildung zeigt als Beispiel u.a. eine operative Stiftung. Die Willensbildungsprozesse in Gremien beschränken sich hier beispielsweise auf ein ehrenamtlich besetztes Stiftungskuratorium. Ein hauptamtlicher Vorstand leitet die umfangreichen Wirtschaftsbetriebe.
Wesentliche Gestaltungsalternativen und ihre Bewertung
Aus dem Modell der Sanduhr lassen sich drei grundlegende Alternativen für die Ansiedlung sozialer Betriebe in einem verbandlichen Umfeld entwickeln.
Modell 1: Verein mit ehrenamtlichem Vorstand
Die meisten Nonprofit-Organisationen sind als Verein gegründet worden. Erst im Laufe der Zeit nahmen die wirtschaftlichen Aktivitäten zu, die ggf. bei der Gründung noch nicht geplant oder in ihrem Umfang abzusehen waren. Daher ist die erste Möglichkeit der Verbindung von verbandlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten, die Integration der Wirtschaftsbetriebe in den Verein, recht verbreitet.
Die Gesamtverantwortung trägt rechtlich nach §§ 26, 27 BGB der ehrenamtliche Vorstand. Er bedient sich für die Erfüllung dieser Aufgabe einer angestellten Geschäftsführung oder Verwaltungsleitung, bleibt aber weitgehend in der persönlichen Verantwortung und Haftung. Nur sehr eingeschränkt kann er diese durch sorgfältige Auswahl, Anleitung und Kontrolle auf die Hauptamtlichen abwälzen. Die Bestellung der hauptamtlichen Geschäftsführung zu Vertretern nach § 30 BGB erleichtert diesen das Auftreten nach außen, ohne dass dem Vorstand dadurch nennenswert Haftungsrisiken abgenommen würden.
Die wesentlichen Kritikpunkte am Verein mit ehrenamtlichem Vorstand sind:
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unzureichende Schnelligkeit der Entscheidungen: Verbandliche Entscheidungsprozesse sind für die Wirtschaftsbetriebe zu langsam. Dies liegt an der Gremiengröße und der häufig anzutreffenden Konsensorientierung.
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Qualifikation der Leitung: Gremien und ehrenamtlicher Vorstand werden in der Regel nicht unter dem Gesichtspunkt der Betriebsführung, sondern nach verbandlichen Kriterien bestellt. Daher bringen sie häufig nicht die erforderlichen wirtschaftlichen Qualifikationen mit.
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Vorstandshaftung: Der ehrenamtliche Vorstand haftet u.a. für die Verwendung von Zuschussmitteln, die Abführung von Lohnsteuer/Sozialabgaben, die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrages oder die Verwendung von Baugeldern. Andererseits hat er als Ehrenamtlicher aus zeitlichen und fachlichen Gründen nur bedingten Einfluss auf die Haftungstatbestände. Haftung und praktische Verantwortung fallen auseinander.
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Vermögensgefährdung: Die Wirtschaftsbetriebe sind ökonomisch wesentlich riskanter, als die Aktivitäten des ideellen Verbandsbereichs. Im Falle einer Schieflage der Betriebe wird der Verband - wie schon oft geschehen - mit in die Krise gezogen.
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Verdrängung der ideellen Tätigkeit: Die Wirtschaftsbetriebe erfordern umfangreiche Planungen und Kontrollen seitens der leitenden Gremien. Dadurch werden sie an der Wahrnehmung ihrer "eigentlichen" ideell geprägten verbandlichen Aufgaben gehindert.
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Organisatorische Differenzierung: Die Integration der Betriebe in den Verein erschwert eine sinnvolle organisatorische Differenzierung, um den unterschiedlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, z.B. bei der Unternehmenskultur, Gehaltsstrukturen oder dem Auftreten nach außen. Im Falle einer von der EU initiierten teilweisen Abschaffung der Gemeinnützigkeit für marktnahe soziale Dienstleistungen würde eine solche Differenzierung auch aus Rechtsgründen erforderlich werden.
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Trennung von Ausführung und Kontrolle: Der hauptamtliche Vorstand ist einerseits nach dem BGB geschäftsführendes Organ und wird in der Praxis trotz angestelltem Geschäftsführer einzelne Geschäftsführungsentscheidungen treffen. Andererseits übernimmt er die Aufsicht über die angestellte Geschäftsführung. Die Vermischung von Ausführung und Kontrolle stellt einen gravierenden Risikofaktor dar. Da die Mitgliederversammlung in der Regel aufgrund ihrer Größe und Tagungsfrequenz zu einer qualifizierten Kontrolle des Vorstandes nicht in der Lage ist, erfordern umfangreiche wirtschaftliche Aktivitäten zusätzlich zum Vorstand ausreichende Kontrollinstanzen, z.B. einen qualifiziert besetzten Aufsichtsrat. Dann können Konflikte entstehen, weil sowohl Vorstand wie Aufsichtsrat die hauptamtliche Geschäftsführung beaufsichtigen.
Modell 2: Verein mit hauptamtlichem Vorstand
Die Vorstandstätigkeit umfasst gemäß dem gesetzlichen Auftrag die Geschäftsführung für den Verein. Es liegt also nahe, auf einen angestellten Geschäftsführer zu verzichten und die Geschäftsführung dem dafür vorgesehenen Organ Vorstand zu überlassen. Wenn der Umfang des Geschäftsbetriebes einen Einsatz erfordert, der ehrenamtlich nicht mehr zu leisten ist, kann die Vorstandstätigkeit hauptamtlich wahrgenommen und im Rahmen eines Dienst- oder Anstellungsvertrages entlohnt werden.
Dass eine hauptamtliche Vorstandstätigkeit bei einem gemeinnützigen Verein unzulässig sei, ist eine leider verbreitete Fehlinformation. Ein Vorstandsmitglied darf für seine Vorstandstätigkeit je nach Satzungsgestaltung vom Verein angemessen bezahlt werden, also mehr als eine Erstattung seiner Aufwendungen erhalten. Dies gilt auch beim gemeinnützigen Verein.
Bei Modell 2 mit einem hauptamtlichen Vorstand werden die zwei Leitungsinstanzen aus Modell 1 - ehrenamtlicher Vorstand und hauptamtliche Geschäftsführung – zusammengefasst. Auf den ersten Blick wird die Struktur einfacher. Verbandliche und betriebliche Sphäre bleiben in einem Verein zusammen.
Offensichtlich hat der Vorstand in diesem Modell eine zentrale, sehr starke Stellung. Diese sollte durch eine ausreichende Kontrolle kompensiert werden. Empfehlenswert ist in den meisten Fällen die Installation eines Aufsichtsrates mit vergleichbaren Aufgaben wie bei der GmbH. Bei der Besetzung eines bezahlten Vorstandspostens können fast die gleichen Maßstäbe wie bei der Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers angelegt werden. Die Vorstandsmitglieder müssen nicht zugleich Vereinsmitglieder sein. Die Anstellung sollte an das Vorstandsamt gekoppelt werden. Der hauptamtliche Vorstand haftet genauso wie ein ehrenamtlicher Vorstand. Allerdings fallen bei diesem Modell Haftung und praktische Verantwortung zusammen. Insofern wird einem wesentlichen Kritikpunkt an dem Modell 1 Rechnung getragen.
Einige Kritikpunkte von Modell 1 können nicht ausgeräumt werden, andere kommen hinzu. Die wesentlichen Kritikpunkte am Verein mit hauptamtlichen Vorstand sind:
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Übermacht der Hauptamtlichen und der Betriebe: Die Hauptamtlichen verfügen aufgrund ihrer zeitlichen und fachlichen Ressourcen über einen deutlichen Informationsvorsprung gegenüber den ehrenamtlich besetzten Gremien. Wenn sie darüber hinaus mit dem Vorstand das faktisch einflussreichste Gremium besetzen, wird der Einfluss der Ehrenamtlichen massiv zurückgedrängt. Dies kann zu einer Vernachlässigung der Mitgliederinteressen, zu nachlassender Motivation der Ehrenamtlichen und zur Überbewertung wirtschaftlicher Ziele führen. In letzter Konsequenz kann der spezifisch verbandliche Charakter fast vollständig verloren gehen.
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Vermögensgefährdung: Die Wirtschaftsbetriebe sind ökonomisch wesentlich riskanter, als die Aktivitäten des ideellen Verbandsbereichs. Im Falle einer Schieflage der Betriebe wird der Verband unverändert mit in die Krise gezogen.
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unzureichende Schnelligkeit der Entscheidungen: Die verbandlichen Entscheidungsprozesse sind auch hier für die Wirtschaftsbetriebe ggf. zu langsam. Allerdings könnte durch einen kleinen und relativ starken Vorstand eine mit der GmbH vergleichbare Situation erreicht werden. Dann verlieren im gleichen Maße die anderen Vereinsgremien an Einfluss.
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Organisatorische Differenzierung: Die Integration der Betriebe in den Verein erschwert immer noch eine sinnvolle organisatorische Differenzierung. An die Stelle der verbandlichen Dominanz tritt – je weiter die Vereinsstruktur an die GmbH-Struktur angepasst wird – die wirtschaftliche Dominanz bei der Organisationsstruktur - das "spezifisch Verbandliche" geht weitgehend verloren.
Modell 3: Verein mit Tochter-GmbH
Ein Schutz des Vereinsvermögens vor den Risiken wirtschaftlicher Betätigung ist nur durch eine rechtliche Trennung möglich. Die Trennung durch Auslagerung in eine Tochter-GmbH erleichtert auch die Entwicklung unterschiedlicher, an das Umfeld angepasster Organisationsstrukturen. Sie ermöglicht es, gleichwertig verbandlichen wie wirtschaftlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Da bei diesem Modell der Verein Alleingesellschafter, also einziger Eigentümer der GmbH ist, behält er die Kontrolle über die ausgelagerte Tochter in dem von ihm gewünschten Umfang.
Praktisch immer ist die Einrichtung eines Aufsichtsrates zu empfehlen, der sowohl mit Vereinsmitgliedern, als auch mit Experten für die wirtschaftlichen und fachlichen Aspekte der GmbH besetzt werden sollte. Durch einen kompetenten Aufsichtsrat kann die GmbH mindestens ebenso qualifizierte kontrolliert werden wie die Betriebe in Modell 1 oder 2.
Mit jeder organisatorischen Differenzierung steigt die Komplexität des Systems. So auch hier, da jetzt zwei rechtlich selbständige Körperschaften entstehen. Eine kompromisslose Vereinfachung der Strukturen ist nur durch eine Alternative zu erreichen, die hier nicht weiter verfolgt wird: Der (Ideal-)Verein trennt sich endgültig von den Wirtschaftsbetrieben (Schließung, Verkauf oder Schenkung) und konzentriert sich auf den vom Gesetzgeber für ihn vorgesehenen ideellen Tätigkeitsbereich.
Die Leitung für die beiden Sphären ist wieder getrennt, wie beim Modell 1. Allerdings haftet jetzt die hauptamtliche GmbH-Geschäftsführung für die von ihr betriebenen Geschäfte in der GmbH und der ehrenamtliche Vorstand nur für die wirtschaftlich deutlich weniger riskante Vereinsgeschäftsführung.
Bei der Aufteilung der Aktivitäten zwischen Verein und GmbH werden zweckmäßiger Weise alle wirtschaftlich umfangreichen Betriebe und alle riskanten Aktivitäten auf die GmbH übertragen. Dies kann die wesentlichen Dienstleistungsbereiche des Vereins umfassen. Zum Erhalt der Gemeinnützigkeit muss der Verein substantielle Tätigkeiten, nicht jedoch wesentliche Umsätze, behalten. Sofern der verbandliche Bereich ausgebaut ist, besteht hier keine steuerrechtlich begründete Einschränkung für die Auslagerung von Betrieben. Andernfalls müssen ggf. weniger risikobehaftete wirtschaftliche Aktivitäten beim Verein bleiben.
Folgende drei wesentlichen Kritikpunkte sind bei dem Verein mit Tochter-GmbH zu nennen:
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Kontrollverlust und Verselbständigung der GmbH: Die rechtliche Selbständigkeit kann die Identifikation mit dem Verband bzw. den übergreifenden Werten des Verbundes aus Verein und GmbH schwächen. Die gewünschte organisatorische Differenzierung kann bei ungünstiger Gestaltung ein Eigenleben entwickeln, welches aufgrund der komplexen Strukturen durch einen ehrenamtlichen Vorstand kaum zu verhindern oder zu kontrollieren ist. War es vorher vielleicht lästig für den Vorstand, sich mit Details des Tagesgeschäftes befassen zu müssen, besteht jetzt die Gefahr, sich nicht mehr ausreichend mit den wirtschaftlichen Aktivitäten vertraut zu machen bzw. machen zu wollen. Insbesondere über lange Zeiträume ist diese Gefahr nicht zu unterschätzen.
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Höhere Kosten und Komplexität: Das Modell der Auslagerung wird in der Regel nur für Betriebe mit mehr als 500.000 EUR Umsatz im Jahr erwogen. Dann sind die Kosten der Gründung, Übertragung der Betriebe und der laufenden Geschäftsführung im Verhältnis zu den Umsätzen und den wirtschaftlichen Risiken für den Verein und seinen Vorstand gering. Die Komplexität der Organisation nimmt zu. Sie sollte aber durch eine Leitungsebene, die die auszulagernden Betriebe qualifiziert führt bzw. die Führung kontrolliert, zu bewältigen sein. Einige gescheiterte Auslagerungen sind meistens auf Fehler bei der Umsetzung zurückzuführen, so dass dieses Risiko bedacht werden will.
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Durchgriffshaftung bei ausreichender Anbindung: Hier handelt es sich um einen oft befürchteten, in der Praxis aber leicht vermeidbaren Fehler. Ein Durchgriff auf das Vereinsvermögen besteht nur in wenigen Ausnahmefällen, z.B. bei Vermögensvermischung oder Gewährung von Bürgschaften, Patronatserklärungen etc. durch den Verein.
Bei der Auslagerung in eine GmbH sind zahlreiche weitere Aspekte zu beachten, die jedoch meistens für die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen diese Struktur nur von untergeordneter Bedeutung sind. Einige Aspekte seien hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt.
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Sollte in eine oder mehrere GmbHs ausgelagert werden?
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Haben die Betriebsteile nach der Trennung noch eine sinnvolle Betriebsgröße?
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Sollte im Rahmen der Auslagerung eine Kooperation mit anderen Trägern erwogen werden, um eine günstige Betriebsgröße oder andere Synergieeffekte zu erreichen?
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Bestehen Zweckbindungen bei Zuschüssen und Pachtverträgen oder andere Verträge, bei deren Übertragung eine Zustimmung Dritter erforderlich ist?
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Wie wird der Betriebsübergang arbeitsrechtlich abgewickelt?
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Welche Vermögenswerte werden übertragen? Kann bei der Übertragung von Grundstücken die Zahlung von Grunderwerbsteuer vermieden werden?
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Mit welchem Stammkapital und welchen weiteren finanziellen Mitteln als betriebsnotwendigem Kapital soll die GmbH ausgestattet werden?
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Kommt nur eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) in Frage, oder sollte eine gewerbliche GmbH gegründet werden?
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Wie eng wird die GmbH durch die Wahl des Firmennamens, das Erscheinungsbild, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag und weitere Verträge an den Verein gebunden?
Aufsichtsrat als Beratungs- und Kontrollorgan
Sobald in nennenswertem Umfang wirtschaftliche Aktivitäten erfolgen, sollte eine von der Ausführung unabhängige Instanz die Geschäftsführung kontrollieren. Die Trennung von Ausführung und wirksamer Kontrolle ist unabhängig von dem gewählten Modell erforderlich.
Bei ausschließlich verbandlicher Tätigkeit oder nur sehr geringen Umsätzen genügen ehrenamtliche Vereinsrevisoren, die einmal jährlich die Unterlagen durchsehen und dem Verein berichten. Bei umfangreicheren wirtschaftlichen Aktivitäten sollte ein am Aktienrecht orientierter Aufsichtsrat erwogen werden, der so qualifiziert besetzt wird, dass eine Kontrolle der Betriebe möglich ist. Dabei müssen häufig verbandliche, spezifische fachliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit ausreichender Tiefe vorhanden sein. Ein funktionsfähiges Kontrollgremium sollte drei bis fünf Personen umfassen. Je größer das Gremium, desto eher fühlen sich die einzelnen Mitglieder nicht mehr für den Erfolg der Gremienarbeit verantwortlich.
Ein Aufsichtsrat kann sowohl in einem Verein wie in einer GmbH eingerichtet werden. Das Vereinsrecht lässt auch die Wahl anderer, weniger an Wirtschaftsbetriebe erinnernde Bezeichnungen zu, z.B. Präsidium oder Kuratorium. Wichtig für eine wirksame Kontrolle sind weitreichende Informationsrechte sowie die Möglichkeit, eine Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung einzuberufen. Zu den Rechten gehört in Anlehnung an das KonTraG sinnvollerweise auch das Recht zur Bestellung des Wirtschaftsprüfers sowie die Aussprache mit dem Wirtschaftsprüfer.
Bei dem nachfolgenden Modell 3 könnte der ehrenamtliche Vorstand die Kontrollfunktion in der GmbH übernehmen. Da der Vorstand aber primär unter verbandlichen Gesichtspunkten gewählt wird, ist die Einrichtung eines Aufsichtsrates als Kontrollgremium dringend zu empfehlen. Der Aufsichtsrat wird dann nach den gleichen Kriterien wie in Modell 2 besetzt und hat die gleichen Kontrollaufgaben, die sich dann jedoch auf die GmbH-Geschäftsführung und nicht auf den Vereinsvorstand beziehen. Je nach Stärke der angestrebten verbandlichen Anbindung und Verteilung der Kompetenzen liegt der Schwerpunkt der strategischen Planung und Steuerung mehr bei einzelnen Vereinsgremien, dem Aufsichtsrat oder in seltenen Fällen der GmbH-Geschäftsführung. In allen Fällen sollten Vereinsgremien die Kontrolle über die ideelle Ausrichtung und strategische Anbindung der GmbH behalten.
Empfehlungen
Die Darstellung beschränkt sich auf die drei Grundmodelle
- Verein mit ehrenamtlichem Vorstand und angestellter Geschäftsführung
- Verein mit hauptamtlichem Vorstand
- Verein mit 100%iger Tochter-GmbH.
Selbstverständlich lassen sich die Grundmodelle vielfältig variieren und teilweise Mischformen finden. Diese führen jedoch nicht zu grundsätzlich neuen Lösungen. Die aufgeführten Vor- und Nachteile der Grundmodelle lassen sich leicht auf die Varianten übertragen, ggf. abgeschwächt oder verstärkt. Beim Verein können Zahl, Aufgaben und Größe der Gremien den Zielen angepasst werden.
Eine Mischform stellt ein Vorstand dar, bei dem nur einzelne Mitglieder hauptamtlich, die übrigen ehrenamtlich tätig sind. Dann haftet immer noch ein Teil der Ehrenamtlichen für Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche bezahlter Leitungskräfte, ohne selber über entsprechende zeitliche Ressourcen zu verfügen.
Sofern die verbandlichen Aktivitäten deutlich überwiegen und die wirtschaftlichen Aktivitäten maßgeblich ideell geprägt werden sollen und eher risikoarm sind, ist Modell 1 mit einem ehrenamtlichen Vorstand angemessen.
Beispiel A: Eine Selbsthilfevereinigung mit mehreren Tausend Mitgliedern unterhält eine Geschäftsstelle mit fünf Angestellten, darunter die Geschäftsstellenleitung. Der ehrenamtliche Vorstand umfasst Personen mit medizinischer und mit betriebswirtschaftlicher Kompetenz. Die Finanzierung beruht weitgehend auf gut planbaren Mitgliedsbeiträgen und einer institutionellen Förderung. Hier ist Modell 1 eine naheliegende Lösung, da durch Ressortverteilung eine ausreichende ehrenamtliche Leitung gewährleistet werden kann.
Beispiel B: Eine politische Organisation mit 50.000 Mitgliedern ist in Orts-, Kreis-, Landesverbänden und einem Bundesverband organisiert. Die Bundesgeschäftsstelle einschließlich Nebenbetriebe (Mitgliederservice, Publikationen) umfasst unter 10 Mitarbeiter. Obwohl die Umsätze durch verlegerische Aktivitäten deutlich höher liegen als bei Beispiel A, stehen die ideellen – hier politischen – Aspekte deutlich im Vordergrund und sollten die Ausrichtung der Geschäftsstelle einschließlich der publizistischen Tätigkeit prägen. Die Besetzung der Leitungsämter erfolgt sinnvollerweise nach verbandspolitischen Gesichtspunkten.
Beispiel C: Ein Fachverband betreibt Öffentlichkeitsarbeit, Lobbytätigkeit sowie umfangreiche Serviceeinrichtungen (Bibliothek, Forschung, Weiterbildung). Das Umsatzvolumen liegt bei 5 bis 10 Millionen Euro. Die Mitglieder sind wirtschaftlich potente Organisationen. Im Vorstand sitzen überwiegend Personen mit Führungserfahrung, betriebswirtschaftlichem Know-How und Fachkompetenz. Im Verein werden Willensbildung (Delegiertenversammlung oder Ausschüsse) und Geschäftsführung (Vorstand mit drei Personen) organisatorisch getrennt. Dadurch ist Modell 1 mit ehrenamtlichem Vorstand und angestelltem Geschäftsführer trotz der Betriebsgröße praktikabel.
Beispiel D: Ein mitgliederstarker, konfessioneller Verband betreibt eine Geschäftsstelle mit rund zehn Angestellten. Die Leitung der Geschäftsstelle hat eine wichtige repräsentative Funktion, erfordert eine theologische Qualifikation und arbeitet mit den Tochtergesellschaften des Vereins zusammen. Um die Geschäftsstellenleitung mit in die Verantwortung zu nehmen und gegenüber der GmbH-Geschäftsführung zu stärken, wird sie als geborenes Mitglied in den mehrheitlich hauptamtlich besetzten Vorstand aufgenommen. Das Modell 1 wurde hier in Richtung Modell 2 weiterentwickelt, aber aufgrund der insgesamt verbandlichen Prägung des Vereins auf eine überwiegend ehrenamtliche Leitung Wert gelegt.
Modell 1 mit einem ehrenamtlichen Vorstand und einer angestellten Geschäftsführung eignet sich immer dann, wenn die verbandliche Sphäre überwiegt und der Umfang wirtschaftlicher Aktivitäten gering ist. Je kleiner und je besser der Vorstand für Leitungsaufgaben qualifiziert ist, um so größere wirtschaftliche Aktivitäten kann er mit Hilfe einer angestellten Geschäftsführung noch wirksam kontrollieren. Dies macht jedoch nur so lange Sinn, wie die wirtschaftlichen Aktivitäten überwiegend von ideellen Aspekten und weniger von Marktbedingungen geprägt sein sollen und können. Bei besonderen Betriebsrisiken kann eine Auslagerung dennoch zu erwägen sein, da nur die rechtliche Trennung das Vereinsvermögen schützt. Vergleichbares gilt bei besonderen Finanzierungssituationen.
Modell 2 mit einem hauptamtlichen Vorstand scheint auf den ersten Blick wenig Sinn zu machen, da der Einfluss der Vereinsgremien abnimmt, der Verein aber gleichwohl das wirtschaftliche Risiko trägt. Wenn die Risikoaspekte keine Rolle spielen, stellt Modell 2 eine gute Lösung dar. Der Einfluss der Vereinsgremien kann dann z.B. durch einen Aufsichtsrat sichergestellt werden.
Beispiel E: Ein Verein wurde von einigen Gleichgesinnten als Unternehmensträger gegründet. Der "selbstverwaltete" Betrieb wird von den Gründern partnerschaftlich als soziales Dienstleistungsunternehmen betrieben. Eigentlich wäre hier eine (g)GmbH die angemessene Rechtsform. Solange das Finanzamt keine Bedenken gegen einen Verein hat, in dem nur leitende Angestellte des Vereins Mitglied sind, ist ein Wechsel der Rechtsform nicht erforderlich.
Beispiel F: Ein Verein betreibt eine Einrichtung (z.B. Schule, Behindertenwerkstatt oder Kulturzentrum), deren Nutznießer die Vereinsmitglieder stellen. Der Betrieb ist in gepachteten oder gemieteten Räumen angesiedelt. Der Verein verfügt über das betriebsnotwendige Kapital hinaus nicht über nennenswertes Vermögen. Eine Auslagerung führt somit nicht zu einer Vermögenssicherung, da nach einem Betriebsübergang kein Vermögen, auch keine wesentlichen immateriellen Werte, im Verein verbleiben würden. Der Verein kann von seinen Entscheidungsstrukturen an die GmbH angenähert werden. Gegenüber der GmbH ist im Verein ein Mitgliederwechsel leichter zu bewerkstelligen und so mit geringem Aufwand sicherzustellen, dass dauerhaft nur die angestrebte Zielgruppe über eine Mitgliedschaft Einfluss auf den Betrieb hat. Die Dominanz wirtschaftlicher Aspekte erfordert eine hauptamtliche Geschäftsführung. Modell 2 stellt sicher, dass die Nutzer nicht für die Geschäftsführung des hauptamtlichen Vorstandes haften.
Modell 2 mit einem hauptamtlichen Vorstand ist die geeignete Wahl, wenn der Verein überwiegend Dienstleistungen erbringt und ein eigenständiges Vereinsleben mit Interessen jenseits des Wirtschaftsbetriebes keine nennenswerte Bedeutung hat. Als Alternative ist die Gründung einer gGmbH denkbar, wenn der Einfluss nur bei einer kleinen, konstanten Personengruppe liegen soll. Sollen hingegen ideell gebundenes Vermögen und Betrieb getrennt werden, kommt neben Modell 3 auch eine Stiftung als Vermögensträger in Frage.
Wenn sowohl die verbandliche als auch die betriebliche Sphäre von Bedeutung sind, ist beiden durch geeignete Strukturen Rechnung zu tragen. Dies kann mit zunehmender Komplexität der Regelungen möglicherweise auch innerhalb eines Vereins gelingen. Nicht möglich ist eine ehrenamtliche Leitung für den Verbandsbereich, die nicht zugleich die Verantwortung für die Aktivitäten der Betriebsleitung mitzutragen hat. Auch in der Satzung verankerte Geschäftsverteilungen vermögen die Risiken nicht so weit zu reduzieren, wie eine Auslagerung dies ermöglicht. Erst recht ist ein Schutz des Vereinsvermögens nur durch eine Auslagerung risikobehafteter Aktivitäten zu erreichen.
Beispiel G: Ein konfessioneller Verband lagert seine Wirtschaftsbetriebe in zwei GmbHs mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern und Regionen aus. Eine GmbH strebt eine regionale Kooperation mit befreundeten Trägern an. Die verbandliche Anbindung wird über den Gesellschaftsvertrag, die Gesellschafterversammlung, den u.a. mit Verbandsvertretern besetzten Aufsichtsrat, gemeinsame Strategietagungen und die laufende Kommunikation zwischen Vereinsvorstand und GmbH-Geschäftsführung sichergestellt. Eine Vernetzung von Verbandsarbeit und sozialen Betrieben wird über das Leitbild festgeschrieben und in der jährlichen Planung explizit konkretisiert. Im Gegenzug agieren die Betriebe wirtschaftlich im Rahmen verabschiedeter Planungen autonom. Wirtschaftliche Risiken der von starken Umbrüchen gekennzeichneten Geschäftsfelder betreffen den Verein nur noch insoweit, als im Insolvenzfall für die verpachteten Immobilien neue Nutzer gesucht werden müssen.
Beispiel H: Ein Wohlfahrtsverband mit zahlreichen Untergliederungen betreibt soziale Einrichtungen in mehreren Geschäftsfeldern, teilweise in Konkurrenz zu seinen Untergliederungen. Die Betriebe werden in mehrere, an den Geschäftsfeldern ausgerichtete GmbHs ausgelagert. Teilweise bringen Untergliederungen Einrichtungen ein und werden kapitalmäßig an den GmbHs direkt beteiligt. Durch den Gesellschaftsvertrag und Lizenzverträge über die Nutzung des Verbandszeichens ist eine einheitliche Entwicklung aller Gesellschaften auch bei mehreren Gesellschaftern sichergestellt.
Beispiel I: Ein Kreisverband lagert seine Altenhilfeeinrichtung in eine Betriebs-GmbH aus. Diese wird über einen Franchisevertrag in ein bundesweit einheitliches Angebot des Spitzenverbandes integriert. Durch diese Kombination von Gestaltungsmöglichkeiten – gGmbH und Franchising – wird eine "virtuelle Betriebsgröße" erreicht und gleichzeitig eine lokale Anbindung an den Kreis sichergestellt. Die Auslagerung in Verbindung mit kompetenten Leistungen des Franchisegebers bietet ein hohes Maß an wirtschaftlicher Absicherung. Da nur die GmbH Franchisenehmer ist, greifen die weitreichenden Regelungen des Franchisevertrages zu Organisation, Qualitätsmanagement, Rechnungswesen, Vertragsgestaltung, Erscheinungsbild etc. nicht in die Autonomie der verbandlichen Sphäre auf Kreisebene ein.
Auch wenn das letzte Beispiel noch ungewöhnlich klingt, wird das Potential der organisatorischen Differenzierung von Modell 3 deutlich.
Modell 3 mit der Auslagerung umfangreicher oder risikobehafteter Aktivitäten in eine oder mehrere Tochter-GmbHs ermöglicht als einziges einen nahezu absoluten Schutz des Vereinsvermögens vor den Risiken der wirtschaftlichen Tätigkeit. Einerseits nimmt die Komplexität des Verbundes aus Verein und GmbH zu, andererseits bieten sich vielfältige Möglichkeiten der organisatorischen Differenzierung und Anpassung an Marktbedingungen. Ermöglicht werden u.a. eine Besetzung der Geschäftsführung mit (fach-)spezifischer Leitungskompetenz, unterschiedliche Entscheidungsmechanismen für den Verband und den Betrieb sowie Kooperationen bis zu Franchising und kapitalmäßiger Einbindung Dritter. Bei dem Verband werden zeitliche und finanzielle Ressourcen für seine ideellen Anliegen freigesetzt. Mitgliedsbeiträge und Spenden fließen nicht unwillkürlich in defizitäre Dienstleistungen. Die Gremien können die Kontrolle weitgehend an einen kompetenten Aufsichtsrat delegieren und sich auf inhaltliche Fragestellungen, auch zur ideellen Ausrichtung von sozialen Betrieben, konzentrieren. Bei der Gestaltung, insbesondere der Formulierung des Gesellschaftsvertrages, muss besonders auf eine sorgfältig austarierte Anbindung der GmbH an den Verband geachtet werden.
Die Vielfalt der konkreten Ausgangssituationen in Nonprofit-Organisationen lässt sich nicht in drei Modellen und wenigen Seiten einfangen. Bewusst wurde die Komplexität der Rechtsformwahl und strukturellen Gestaltung auf drei zentrale Modelle reduziert, um die wesentlichen Aspekte und Argumente deutlich hervortreten zu lassen. Auch wenn ein Grundmodell ausgewählt wurde, ist bei der Wahl weiterer Gestaltungsparameter und der Umsetzung noch große Sorgfalt erforderlich, um die aufgeführten Vorteile eines Modells zu realisieren. Die Beispiele und Argumente verdeutlichen, dass je nach Rahmenbedingungen ein Modell tendenziell günstiger ist als die anderen. Dies heißt nicht, dass nicht auch andere Gestaltungen zum Erfolg führen können. Nur sollten dann die genannten Nachteile sorgfältig abgewogen und so weit wie möglich bei der Ausgestaltung kompensiert werden.
Autoren
Christian Koch
Dipl.-Kfm., Geschäftsführer socialnet GmbH, Unternehmensberater
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Thomas von Holt
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