Virtuelle Mitgliederversammlung im Verein in Corona-Zeiten

04.04.2020 | Dr. Rafael Hörmann

Inhalt
  1. I. Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020
    1. 1. Beschlussfassung der Mitgliederversammlung
      1. a. Ohne Mitgliederversammlung
      2. b. Online-Mitgliederversammlung
    2. 2. Beschlussfassung des Vorstands
  2. II.  Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020: Artikel 2 § 5 Absatz 2: Online-Mitgliederversammlung

Die Entscheidung der Landesregierungen gem. § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG), Veranstaltungen zu untersagen, kann genauso Vereine betreffen. Auch neben einem Verbot ist es gleichwohl aktuell ratsam, jegliche Zusammenkunft weitestgehend zu vermeiden. Das gilt sowohl für Mitgliederversammlungen als auch Vorstandssitzungen. Daher wird im Folgenden ausgeführt, welche Hürden und Möglichkeiten für Vereine vor diesem Hintergrund bestehen.

I. Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020

1. Beschlussfassung der Mitgliederversammlung

a. Ohne Mitgliederversammlung

Eine Beschlussfassung der Mitgliederversammlung ist auch möglich, wenn alle stimmberechtigten Mitglieder ihre Zustimmung zu dem jeweiligen Beschluss schriftlich erklären, § 32 BGB. Zur Wahrung der Schriftform bedarf es einer Erklärung auf dem Postweg. Eine E-Mail genügt nicht. Zu beachten ist außerdem, dass es eines Protokolls über die Beschlussfassung bedarf, wenn der Beschluss bei dem Vereinsregister einzureichen ist. Das Protokoll muss das Umlaufverfahren und das Ergebnis der Beschlussfassung enthalten.

b. Online-Mitgliederversammlung

Eine Mitgliederversammlung über das Internet, beispielsweise durch Videokonferenz ist nur dann ohne Weiteres möglich, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich zulässt! Zu beachten ist, dass wenn eine Online-Versammlung in der Vereinssatzung geregelt ist, diese nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB unterliegt und somit die Zustimmung der Mitglieder nicht erforderlich ist, ebensowenig wie die Schriftform.

Die fehlende Satzungsregelung kann allerdings umgangen werden, wenn alle Mitglieder zustimmen, die Mitgliederversammlung online abzuhalten. Die Zustimmung muss sich lediglich auf die Form der Abhaltung der Mitgliederversammlung beziehen, ein Bezug auf jeden einzelnen Beschlussgegenstand ist nicht notwendig. Die Zustimmung unterliegt nicht der Schriftform, sondern ist formlos möglich. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Zustimmung des einzelnen im Nachhinein bewiesen werden kann, daher empfiehlt sich stets die Schriftform. Ist die Zustimmung aller Mitglieder erfolgt, können in der Online-Mitgliederversammlung Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden. Auch hier greift die Vorschrift des § 32 Abs. 2 BGB nicht, da es sich um eine Beschlussfassung mit Versammlung handelt.

Die Abhaltung einer Mitgliederversammlung über das Internet ohne Satzungsgrundlage und ohne die Zustimmung aller stimmberechtigter Mitglieder ist aber grundsätzlich unzulässig.

2. Beschlussfassung des Vorstands

Für Beschlussfassungen des Vorstands gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Zu beachten ist, dass auch die telefonische Zusammenkunft als virtuell gewertet wird, auch wenn sie nicht über das Internet erfolgt.

II.  Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020: Artikel 2 § 5 Absatz 2: Online-Mitgliederversammlung

Der Bundestag hat in dem Gesetz vom 27.03.2020 (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) unter anderem auch vorübergehend Sonderregelungen zu Vorschriften des zivilrechtlichen Vereinsrechts, welche im Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu finden sind, vorgesehen. Das Gesetz enthält nun Erleichterungen für Vereine, um deren Handlungsfähigkeit während der Corona-Krise aufrechtzuerhalten. Die neuen Sonderregelungen durch Gesetz vom 27.03.2020 zu den zivilrechtlichen Vereinsvorschriften gelten ab dem Tag der Gesetzesverkündung im Bundesgesetzblatt (27.3.2020) und bis zum 31.12.2021.

Von den Erleichterungen profitieren eingetragene Vereine und nicht eingetragene Vereine gleichermaßen.

§ 5 Absatz 2 schafft als Sonderregelung zu § 32 Absatz 1 Satz 1 BGB die gesetzlichen Voraussetzungen, um auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Satzung, „virtuelle“ Mitgliederversammlungen durchzuführen. Ohne diese neue Regelung und ohne besondere Satzungsregelung müssten Mitgliederversammlungen stets als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Das wurde in der aktuellen Situation allerdings verboten.

Fazit: Es ist nunmehr ohne besondere Satzungsregelung möglich, alle Mitgliederversammlungen eines Vereins virtuell abzuhalten.

Praxistipps:

  • Diese Sonderregelung ist bis zum 31.12.2021 befristet. Sie ersetzt damit nicht die Notwendigkeit einer eigenen Regelung für die dauerhafte Zulässigkeit von Online-Mitgliederversammlungen in der Vereinssatzung, um auch zukünftig diese vom Grundsatz der Präsenzveranstaltung abweichende Versammlungsform zu ermöglichen.
  • Leider sieht diese Sonderregelung keine Erleichterung für die Formvorschriften der Einladung zu einer Mitgliederversammlung vor. Daher gilt weiterhin das Formerfordernis der Satzung: Sieht die Satzung die Schriftform für die Einladung vor, so muss weiterhin mit einem unterzeichneten Schreiben der ladungsberechtigten Person (zumeist der Vorstandsvorsitzende) geladen werden. Oft sehen Satzungen inzwischen aber auch eine Ladung in Textform vor. Dann kann die Ladung auch per E-Mail erfolgen, wenn die E-Mail-Adressen der Mitglieder durch die Mitglieder selbst dem Verein bereitgestellt wurden.
  • Die virtuelle Versammlung sollte in einem passwortgesicherten Online-Raum und unter mit vorheriger Mitteilung des Passworts gegenüber den Teilnehmern vor der Versammlung erfolgen. Die Teilnehmer sollten ihre Identität durch Verwendung des Klarnamens kenntlich machen.
  • Nicht geändert werden die im Gesetz oder der Satzung geregelten Mehrheitserfordernisse. Soweit in der Vereinssatzung nichts Abweichendes geregelt ist, ist für die Zweckänderung weiterhin nach § 33 Absatz 1 Satz 2 BGB die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich, für Satzungsänderungen gilt die Drei-Viertel-Mehrheit nach § 33 Absatz 1 BGB, soweit in der Satzung keine andere Mehrheit geregelt ist.
  • Über die Online-Mitgliederversammlung ist weiterhin nach den Regelungen der Satzung ein Protokoll zu fertigen, welches von den in der Satzung bestimmten Personen, zumeist die Versammlungsleiter und die Protokollführer, zu unterzeichnen ist. Die Protokollierung muss insbesondere die Beschlüsse aufzeigen, die der Eintragung zum Vereinsregister bedürfen, z.B. die Wahl des Vorstands oder die Änderung der Satzung. Das Protokoll dient weiterhin als zivilrechtliche Urkunde dem Nachweis der Beschlüsse der Mitgliederversammlung gegenüber dem zuständigen Amtsgericht. Nur mit einem unterzeichneten Protokoll über die Online-Mitgliederversammlung wird das Amtsgericht die Änderungen zum Vereinsregister eintragen.

Autor
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://www.npo-experts.de/