Virtuelle Mitgliederversammlung: Ergänzungen zu den Corona-Sonderregelungen für Vereine

26.02.2021 | Dr. Rafael Hörmann

Inhalt
  1. I. Neue ausdrückliche Regelungen
  2. II. § 5 Absatz 2a: Aussetzung der statuarischen Einberufungspflicht
  3. III. § 5 Absatz 3a: Anwendbarkeit für sämtliche Vereinsorgane
  4. IV. Fazit und Praxistipp

Neben der erwarteten Verlängerung der gesetzlichen Erleichterungen für Vereine aufgrund der COVID-19 Pandemie hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht vom 22.12.2020 relativ unbemerkt noch einige Klarstellungen innerhalb des Gesetzestextes vorgenommen.

Zweck dieses Artikels ist die Darstellung dieser Neuregelungen und ihrer Auswirkungen auf die Vereinspraxis:

I. Neue ausdrückliche Regelungen

Neben den weiterhin bis einschließlich 31.08.2022 geltenden Sonderregelungen für Vereine bezüglich Online-Versammlungen, Stimmabgabe ohne Anwesenheit und Umlaufbeschlüssen in Textform  hat der Gesetzgeber § 5 des Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) mittlerweile umfassen ergänzt. So wurde neben einem zusätzlichen Absatz 4, welcher die Anwendbarkeit der Regelungen auf Parteien regelt auch neue, klarstellende Regelungen in den neuen Absätzen 2a und 3a aufgenommen. Diese neuen Regelungen für Vereine gelten grundsätzlich ab 28.02.2021.

Der neue Gesetzestext lautet demnach ab 28.02.2021 wie folgt:

§ 5 Vereine, Parteien und Stiftungen

(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigungen in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder

  1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen, und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen,
  2.  ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können.

(2a) Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

(3a) Die Absätze 2 und 3 gelten auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane.

(4)  Absatz 1 gilt für Vorstandsmitglieder und Vertreter in den sonstigen Organen und Gliederungen der Parteien entsprechend. Absatz 2 Nummer 1 gilt für Mitglieder- und Vertreterversammlungen der Parteien und ihrer Gliederungen sowie ihrer sonstigen Organe entsprechend. Dies gilt nicht für die Beschlussfassung über die Satzung und die Schlussabstimmung bei Wahlen nach § 9 Absatz 4 des Parteiengesetzes. Die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung im Wege der Briefwahl oder auch zeitlich versetzt als Urnenwahl an verschiedenen Orten zulassen. § 17 Satz 2 des Parteiengesetzes bleibt unberührt.

II. § 5 Absatz 2a: Aussetzung der statuarischen Einberufungspflicht

Die bisherigen Sonderregelungen enthielten bisher keinen Hinweis darauf, ob und für welchen Zeitraum eine Aufschiebung der Mitgliederversammlung möglich ist, wenn die Satzung eines Vereins eine Regelung beinhaltete, wonach die Mitgliederversammlung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums stattzufinden hat. Dies hat nicht zuletzt innerhalb vieler Vorstände zu Unsicherheiten geführt, indem er klarstellt, dass Vorstände die ordentliche Mitgliederversammlung aufschieben können, solange Präsenzversammlungen nicht möglich sind und eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht mit zumutbarem Aufwand für den Verein und die Mitglieder durchgeführt werden kann.

Eine solche, in Ausnahmefällen zulässige Aussetzung der Einberufungspflicht war grundsätzlich auch vor Geltung dieser gesetzlichen Regelung denkbar. Stützen konnte man sich dabei wohl auf die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

Eine Entscheidung über eine Aufschiebung der Mitgliederversammlung ist jedoch auch nach dem neuen Gesetzeswortlaut weiterhin nicht ins uneingeschränkte Ermessen des Vorstandes gestellt. Das Gesetz verlangt für eine solche Aufschiebung vielmehr, dass zum einen eine Präsenzveranstaltung weiterhin nicht möglich ist und daneben die „Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist“. Diese Zumutbarkeit hat der Vereinsvorstand demnach weiterhin zu beurteilen. Diese Beurteilung ist weiterhin unter Abwägung verschiedenster Kriterien vorzunehmen (Bsp. Kosten einer virtuellen Mitgliederversammlung; Technikaffinität der Mitglieder, etc.).

III. § 5 Absatz 3a: Anwendbarkeit für sämtliche Vereinsorgane

Da die bisherigen Sonderregelungen dem Wortlaut nach ausschließlich für Beschlussfassungen der Mitgliederversammlung Geltung beansprucht haben, war zunächst streitig, ob diese Erleichterungen auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane gelten sollte.

Um insoweit für die Vereine und Stiftungen Rechtssicherheit zu schaffen, stellt der neu geschaffene Absatz 3a) ausdrücklich klar, dass die Erleichterungen des § 5 Absatz 2 und 3 COVMG neben der Mitgliederversammlung auch für Vereins- und Stiftungsvorstände sowie andere fakultative Vereins- und Stiftungsorgane gilt. Demnach ist nun ausdrücklich geregelt, dass auch andere Vereinsorgane auf virtuelle Versammlungen zurückgreifen können (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG), Stimmen ohne Anwesenheit und vor der Organsitzung abgegeben werden können (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG) und erleichterte Voraussetzungen für eine Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung etwa im Umlaufverfahren und ohne das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung sämtlicher stimmberechtigter Organmitglieder (§ 5 Abs. 3 COVMG) auch hier gelten.

IV. Fazit und Praxistipp

Mit den ab dem 28.02.2021 geltenden ergänzenden Vorschriften des COVMG hat der Gesetzgeber zu früher streitigen Fragen klar Stellung bezogen und so für alle Beteiligten einen erhöhten Grad an Rechtssicherheit geschaffen. Leider hat es der Gesetzgeber auch jetzt wieder verpasst, sämtliche bisherigen Unklarheiten im Zusammenhang mit der Anwendung der Regelungen des COVMG auszuräumen. Nichtsdestotrotz sind diese Regelungen zu begrüßen. Da die gesetzlichen Sonderregelungen aktuell nur bis zum 31.08.2022 gelten, sollten Vereinsvorstände überprüfen, ob Ihre Satzungen auch über den 31.08.2022 ausreichende Grundlagen enthalten, um auch in Zukunft auf die alternativen Formen der Beschlussfassung der Vereinsorgane zurückgreifen zu können.

Autor
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München
Homepage: https://npo-experten.de/de/vereinsrecht/virtuelle-mitgliederversammlung/